Schon unter den Botanikern des 16. Jahrhunderts war Stechpalme der übliche Name für
diesen Baum. Die so gar nicht passende Beschreibung als Palme hängt mit der
christlichen Tradition zusammen, bei der am Sonntag vor Ostern, dem Palmsonntag, mit
einer Prozession an den Einzug Jesu in Jerusalem erinnert wird. Jesus war damals mit
Palmwedeln begrüßt worden. Da es aber in Mitteleuropa keine Palmen gibt und auch
anderes Grün zu dieser frühen Jahreszeit kaum vorhanden ist, wurden Sträuße aus
Zweigen der Stechpalme – meist zusammen mit Zweigen anderer immergrüner Gehölze
– zum kirchlich geweihten Palmwedelersatz.
Heute fühlt sich die Stechpalme in Europa überall dort wohl, wo es dank nicht allzu
ferner Meeresflächen recht milde Winter ohne Früh- und Spätfröste und nicht allzu
trockene Sommer gibt. Ihr heutiges natürliches Verbreitungsareal ist daher das
klimatisch stark durch den Atlantik geprägte Westeuropa von der Südwestküste
Norwegens bis zur Iberischen Halbinsel. Gut kommt sie auch an den mediterran
geprägten Berghängen der Alpen, des Apennin und des westlichen Balkans zurecht, und
zwar in den höheren Lagen, wo es nicht zu heiß und nicht zu trocken ist. Auch entlang
der türkischen Schwarzmeerküste bis hin zum Kaukasus und im Norden Afrikas – im
Atlasgebirge beispielsweise – ist sie zu finden.
Habitus
Immergrüner Baum; in dichten Laubwäldern strauchförmig bis 5 m, oft zu einem
Gebüsch aus Wurzelsprossen und sich bewurzelten Seitenzweigen auswachsend; in
lichten Laubwäldern und im Freistand baumförmig bis 10, selten 15 m hoch und mit
einem Stammumfang, der nur selten 1 m überschreitet; durchgehender gerader Stamm,
Seitenäste fast waagerecht; kegelförmiger Kronenhabitus, bei alternden Bäumen oval
Rinde
Junge Triebe bis zu 10 Jahre lang grün und fotosynthetisch aktiv, später grau und glatt,
zunehmend von Partien mit Lenticellen (Luftöffnungen) und sich oberflächlich
ablösenden Rindenschichten strukturiert
Blätter
Wechselständig; 6-8 cm lang, gestielt (ca 1-1,5 cm); Blattoberfläche lederartig,
dunkelgrün und stark glänzend; Unterseite heller. Im unteren Kronenbereich sind die
Blattränder unverwechselbar mit bis zu sechzehn Blattstacheln, meist abwechselnd nach
oben und nach unten zeigend, besetzt. Weiter oben nehmen die Stacheln meist nach
und nach ab bis hin zu völlig glattrandigen, lorbeerartigen Blättern (sogenannte
Heterophyllie, siehe Abbildung)
Blüte
Die Stechpalme ist zweihäusig, d.h., männliche und weibliche Blüten befinden sich auf
getrennten Bäumen; Blütenknospen stehen dicht gedrängt in den Blattachseln; die
Stechpalme blüht im Mai, gelegentlich bis in den Juni hinein; die Blüten sind etwa bis 8
mm groß, weiß, meist zart rötlich oder cremefarben, haben in der Regel vier
Blütenblätter; in den Blüten ist das jeweils andere Geschlecht (Staubgefäße, Griffel) in
verkümmerter Form noch zu erkennen; Bestäubung findet durch Käfer, Fliegen,
Schwebfliegen, Wespen und Bienen statt
Früchte
Kugelige, 7-10 mm breite, gestielte Steinfrüchte, ab Juli grün, später leuchtend rot;
Vögel, vor allem Drosseln, aber auch Tauben fressen sie, allerdings eher als Notnahrung;
die Früchte bleiben daher nach milden Wintern oft bis zur nächsten Blüte und länger am
Baum; die Steinfrüchte sind auch in geringen Mengen für den Menschen giftig und
können zu mittelschweren Vergiftungen führen